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Der Übermensch in zwei Ordnungshöhen

Zusammenfassung

Einerseits kann das Individuum der heutigen Gesellschaften als Übermensch betrachtet werden, weil es über körperexterne Organe verfügt, nämlich Werkzeuge und Maschinen, die seine Fähigkeiten verbessern und mit körperexterner Energie (Strom, Benzin usw.) betrieben werden. Diesen "Übermenschen" nennt die Philosophie lebender Systeme das "System Mensch". Andererseits ist das Individuum Teil eines "Übermenschen", der als Gesellschaft, Staat, Religionsgemeinschaft uws. in Erscheinung tritt, von der PhilS als "Lebenden Systeme höherer Ordnung" bezeichnet. Als Teil dieses übergeordneten Systems handelt der Mensch gewissenlos und verantwortungslos, weil er lediglich Befehle und Vorschriften ausführt. Die Verantwortung für sein Handeln hat das abstrakte "Volk" übernommen, in dessen Namen er agiert. Er wir damit zum Unmenschen gemacht, der seine Mitmenschen zu Antragstellern degradiert. Im System Staat wird das Individuum zu einem lebenden Automaten entwürdigt, der auf Selbstentfaltung verzichten muss und als jederzeit ersetzbarer Erfüllungsgehilfe bürokratischer Normen zu funktionieren hat.

 

Der "Übermensch" als Begriffshülle

Der Begriff des Übermenschen ist von Friedrich Nietzsche geprägt worden, hat aber durch ihn keine brauchbare Definition erfahren. Weitgehend unbekannt ist, dass dieser Begriff von Albert Schweitzer anlässlich seine Rede bei der Entgegennahme des Friedensnobelpreises 1954 mit verständlichem Inhalt gefüllt wurde. Mir geht es hier nicht um vollständige Aufzählung der Verwender dieses Begriffs, sondern um eine Klärung des Begriffs und Herstellung einer Ordnung. Entscheidend hierfür ist nämlich, dass dieser Begriff in zwei Ordnungshöhen Verwendung findet.

Der individuelle und der kollektive Übermensch

Die erste Ordnungshöhe ist die des Individuums. Der einzelne Mensch, das Individuum, das System Mensch, wie ich sage, ist die hier untere Ordnungshöhe. Die unterste Ordnungshöhe lebender Systeme ist die Zelle. Der Übermensch kann in dieser Größenordnung, oder besser: Ordnungshöhe verwendet werden. Aber es gibt auch lebende Systeme höherer Ordnnug, wie eine Horde, eine Gruppe, eine Gesellschaft, den Staat, eine Religionsgemeinschaft usw.. Hierbei handelt es sich um eine andere (höhere) Ordnungshöhe, und auch in dieser findet der Begriff "Übermensch" Verwendung. Anders ausgedrückt. Der "Übermensch" wird bisweilen in die räumliche Breite gedacht und bisweilen nach oben in die Höhe, in das dem Individuum übergeordnete Systemhöhe.

Der gewissenlose individuelle Übermensch

Ich beginne mit der Ordnungshöhe Individuum und lasse zunächst Albert Schweitzer zu Wort kommen:
"Es hat sich ereignet, dass der Mensch ein Übermensch geworden ist. Sein Übermenschentum besteht darin, dass er aufgrund seiner Errungenschaften des Wissens und Könnens nicht nur über die in seinem Körper gegebenen physischen Kräfte verfügt, sondern auch solchen, die in der Natur vorhanden sind, gebietet und sie in Dienst nehmen kann." (Schweitzer 1997, 118/19)

Er könne nun mit Hilfe von Bomben effektiver und über weite Entfernungen töten. (Schweitzer 1997, 119) "Der Übermensch leidet aber an einer … geistigen Unvollkommenheit." (Schweitzer 1997, 119) Er bringe keine übermenschliche Vernunft hervor. Mit zunehmender Macht sei der Übermensch "immer mehr zum armseligen Menschen" geworden. (Schweitzer 1997, 119) Als Übermenschen sind wir zu Unmenschen geworden. (Schweitzer 1997, 120)
Damit ist Schweitzer ein Vorläufer der Auffassung der Philosophie lebender Systeme, dass der Mensch nicht nur aus seinen lebenden Körperanteilen besteht, sondern auch über nichtlebende materielle Teile verfügt, die größtenteils außerhalb seines lebenden Körpers liegen. Schweitzer bezieht dies nur auf die modernen Waffensysteme, die Philosophie lebender Systeme rechnet das gesamte Eigentum des Menschen einschließlich seines Geldes und seiner Schulden zum Individuum sowie auch seinen Geist und verwendet dafür den Begriff des "Systems" Mensch. Schweitzer macht jedoch einen weiteren genialen Schritt, indem er eine Beziehung zwischen dem materiellen und dem geistigen Anteilen des Menschen herstellt, beide verhalten sich nach ihm umgekehrt proportional. Je größer der körperexterne materielle Anteil des Menschen geworden ist, desto kleiner sei sein Geist geworden. Da der Geist natürlich keine Ausdehnung hat, korrigiert er sich selbst und spricht vom ärmer werden des Geistes. Da kann man nur hoffen, dass diese Art der geistigen Armut nicht mit dem Bibelwort "Den geistig armen ist das Himmelreich" gemeint sind. Denn nach Schweitzer besteht diese geistige Armut darin, dass der moderne Mensch kein ethisches Gewissen hat und dementsprechend seine übermenschlichen Kräfte gewissenlos einsetzt und inhuman handelt.
Diesen Zusammenhang sieht auch die Philosophie lebender Systeme und begründet ihn mit den Abwehrmechanismen, die durch die Verwendung der modernen Waffensysteme immer weiter erleichtert werden.
Schon das Gewehr kann das Erleben des Zusammenhangs der Tat mit ihren Folgen zerreißen: auf weite Entfernung nimmt der Täter das Leiden seines Opfers nicht mehr war, hört seine Todesschreie nicht, sieht nicht seine Qualen. 

Die gewissenlose Gesellschaft als Übermensch

Im Falle der Verwendung von Raketen kann gar kein Zusammenhang mehr zwischen der Tat und ihren Folgen wahrgenommen werden. Auch beim Abwurf der Atombomben durch amerikanische Piloten nehmen diese lediglich noch das imponierende grelle Licht der Bombe wahr, nicht aber die Qualen, die sie durch das Ausklinken der Bombe verursacht haben. Der Konstrukteur der Bombe kann erst recht keinen emotionalen Zusammenhang zwischen seiner Tat und den Massenmorden, die er damit verursacht, herstellen. Die unmenschlichen Handlungen des Abwurfs von Napalmbomben oder bereits der Bombardierungen der Zivilbevölkerung im 2. Weltkrieg können weder die Täter, die derartige Massenmorde an Zivilisten befohlen haben, noch die ausführenden Täter begreifen, weil die Folgen nicht wahrgenommen werden können. Die letzte Entwicklung, der Bau und der Einsatz von Drohnen, die ferngelenkt töten, hat die Konsequenz, dass gar kein Unterschied zwischen einem Computerspiel und der Realität mehr hergestellt werden kann. Der ausführende Täter steuert die Drohne heutzutage vom Computer im sicheren Raum aus, er befindet sich nicht mehr im Krieg, sondern im Frieden.

Die Verantwortungslosigkeit des Übermenschen

Der Niedergang des moralischen Gewissens ist zusätzlich dadurch verursacht, dass eine Trennung von direktem und indirektem Täter vorgenommen wird, die Täterschaft der inhumanen Menschenvernichtungen wird aufgeteilt in den ausführenden Täter und den Befehlsgeber, wobei letzterer sich immer weiter auf seinen Vorgesetzten berufen kann und der als letzter "Vorgesetzter" immer das Volk angeführt wird. Selbst in Staaten mit demokratisch gewählter Regierung wird das Volk auf diese Weise entmündigt und verantwortlich für die massenhafte Vernichtung von Mitmenschen gemacht. Unmerklich ist hier bereits der zweite Ordnungshöhe des Übermenschen in Erscheinung getreten.

Das System Mensch und das System Staat

Es kommen in dieser Entwicklung aus Sicht der Philosophie lebender Systeme also zwei Übermenschen zum Vorschein: erstens der individuelle Übermensch, dessen materieller Körper über seine lebende Materie hinausreicht und auch die körperexternen Teile einbezieht, die er als Eigentum sich aneignet, wie seine Kleidung, sein Werkzeug, seine Wohnung samt Einrichtung, sein Auto usw. also das, was ich als "System Mensch" bezeichne und zweitens der "Übermensch", der aus einer Menge von Individuen sich zusammensetzt, also das lebende System höherer Ordnung, die Gruppe, der Staat, die Nation usw.. 
Im Körper dieses überindividuellen Übermenschen ist das Individuum lediglich ein Element unter Vielen. Auch der Übermensch in diesem Sinne eines Lebenden Systems höherer Ordnung besteht aus lebenden Anteilen – nämlich den Individuen – und aus nichtlebenden Teilen, den Versorgungswegen und Versorgungsnetzen (Strom- Gasnetz usw., den Öffentlichen Verkehrsmitteln usw.). In dieser Struktur gibt das Individuum seine Verantwortung, sein Gewissen, ab. Am besten sieht man dies bei
Suprasystemen, die selbst den Staaten übergeordnet sind, wie beispielsweise den Finanzinstituten (z.B. dem IWF).
Die Philosophie lebender Systeme verwendet den Begriff des Übermenschen allerdings nicht. Für den Übermenschen auf individueller Ordnungshöhenebene verwendet sie den Begriff "System Mensch" und für den Übermenschen, der Gesellschaften bezeichnet, benutzt sie den Begriff "Lebendes System höherer Ordnung" und fügt die Gemeinschaft hinzu, die gemeint ist, wie "System Staat", "System Religionsgemeinschaft" usw..

Der Mensch als Automat im Staat

Was hier anhand der Kriegsführung eines System Staats beschrieben wurde, zeigt sich allerdings ebenso im Frieden: der einzelne Bürokrat, der eine Entscheidung trifft und den Antrag eines Individuums bewilligt oder ablehnt, handelt genauso gewissenlos und verantwortungslos wie im Kriegsfall beim Morden. Er erfüllt lediglich Vorschriften, handelt nach Paragraphen, die vom Parlament im Namen des Volkes beschlossen wurden. Im Namen des Volkes werden Menschen schikaniert, gefühlskalt und inhuman behandelt, entmenschlicht, sie werden degradiert zu gesichtslosen Nummern, entwürdigt. Das betrifft jedoch nicht nur die Antragsteller, sondern auch die Bearbeiter der Anträge, die zu gewissenlosen Erfüllungautomaten der Vorschriften entwürdigt werden.

Der Mensch, der geboren wurde, um zu wachsen und sich lebenslang zu entfalten, wird als Teil des Übermenschen Staat zu einer leblosen Maschine degradiert, die irgendeine Aufgabe erfüllt, die jederzeit auch von einem anderen lebenden Automaten übernommen werden kann.    

Die Belohnung für die Entmenschlichung

Für diese Entmenschlichcung des Individuums im Staat gibt es Belohnungen auf zwei Ebenen. Die erste Belohnung ist bereits von der Natur vorgesehen und wird vermutlich auch von Ameisen empfunden, die sich im Ameisenstaat unterordnen. Der Mensch erlebt diese Unterordnung unter die Herrschenden des Staats als Identifikation. Diese Fähigkeit zur Identifikation mit dem Lebenden System höherer Ordnung, der Gesellschaft, in der das Individuum aufwächst, ist überlebenswichtig und daher angeboren. Das menschliche Individuum ist allein nicht lebensfähig und diese Identifikation bindet das Individuum an sein übergeordnetes System. Diese innere Bindung per Identifikation beginnt bei der Familie, dem Clan, der Horde und endet mit dem  Staat, der Nation, dem Hypersystem und dem Suprasystem. Die nationale Identität, die nicht nur im Krieg, sondern auch in Friedenszeiten bei internationalen Ereignissen, wie Olympiaden oder Fußballweltmeisterschaften, zum Tragen kommt, ist mit dem Erleben narzisstischer Befriedigung verbunden. Das Individuum fühlt sich groß – und Größe verschafft Befriedigung. Das körperliche Wachstum des Individuums, das irgendwann um das 16. Lebensjahr herum endet, setzt sich fort im Wachstum per Identifikation mit dem übergeordneten System. Hierbei handelt es sich um eine von der Natur vorgesehene Befriedigung, die ich "narzisstisch" nenne. Neben dieser angeborenen Befriedigung durch Identifikation mit dem Lebenden System höherer Ordnung, die durch Auschüttung von Glücksormonen vermittelt wird, hat die menschliche Gesellschaft ein zweites Mittel erfunden, das ebenfalls an die Ausschüttung von Glückshormonen gekoppelt wird, ähnlich wie der Pawlowsche bedingte Reflex, bei dem ein akustischer Reiz an den Geruchsreiz gekoppelt wird, der dann ebenfalls zu Speichelfluss führt. Es handelt sich um das Geld. Mit Hilfe des Geldes, das quasi für Anpassungsverhalten gezahlt wird, erreicht die Gesellschaft eine Bindung des Individuums an den Staat oder die Nation. Das Individuum vergewaltigt seine Natur und wird zum Roboter, der jeden Morgen zur selben Zeit aufsteht, zur Arbeit geht, seinen Job macht, eine Familie gründet und sich am Feierabend durch Konsum eine Ersatzbefriedigung verschafft. Dieses unterwürfige Anpassungsverhalten des Individuums wird mit Geld belohnt. Diese Zuwendung wird als "Arbeitslohn", "Gehalt", als "Bezüge" oder anders deklariert. Im Grunde handelt es sich um die Belohnung, die das System Staat dem Individuum zukommen lässt und das vom Körper des Menschen mit der Ausschüttung von Glückhormonen beantwortet wird. Der regelmäßige Arbeitslohn ist nicht nur ein Äquivalent für die geleistete Arbeit, sondern gleichzeitig und zusätzlich eine Belohnung für Anpssungsverhalten. Auch hier benutzt der Staat ein natürlich genetisch angelegtes Befriediungserleben, das die Natur für die Einordnung in ein lebendes System höherer Ordnung vorgesehen hat, aus, und belohnt die Selbstaufgabe des Indidivuums mit einem Befriedigungserleben, das durch Glückshormonausschüttung vermittelt wird.

So arbeitet der Staat, die Nation - eben das lebende System höherer Ordnung - mit der Natur, mit der genetischen Programmierung des Menschen zusammen, wenn es darum geht, das Individuum zum Roboter oder zum Erfüllungsgehilfen staatlichen Interesses zu machen.

Rudi Zimmerman, Gesellschaftsphilosoph

Juli 2012

Schweitzer, Albert: Die Ehrfurcht vor dem Leben. Grundtexte aus fünf Jahrzehnten. Verlag C.H. Beck. 1997 (7. Auflage). ISBN 3-406- 35779-2

© Verlag Philosophie des dritten Jahrtausends, Spinozastr.15, 12163 Berlin

Nachdruck oder sonstige Verbreitung, auch in Auszügen, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages

Sie finden hier Auszüge aus den bisher im Verlag Philosophie des dritten Jahrtausends veröffentlichten Büchern:

Aufsätze Rudi Zimmermans im Internet

Übersicht über das Anliegen der Philosophie lebender Systeme.

Rede an die Menschen (2008)

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Die Arbeitseinheiten (Werkstätten) des Menschen, seine Zellen

Die Denkfigur der Selbstentfremdung
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Das Geistige
eine Auseinandersetzung mit Darwin, Freud und Steiner

Evolutionäre Erkenntnistheorie und Zivilisation

Das Gewissen des psychisch Gesunden, die natürliche Schuldreaktion
Das Gewissen ist angeboren und nicht anerzogen

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Rudi Zimmerman: Gesellschaftsanalytiker, Webphilosoph, bei Fragen bitte hier melden:
Rudi Z.

Biologisch besteht die Erdbevölkerung aus Horden schwer bewaffneter Affen. Kann die Evolution des Geistes diese zu einer Menschheit einen?

Mit dieser Frage beschäftigt sich die Philosophie lebender Systeme in dem Buch:

Zivilisation als Fortsetzung der Evolution.
Die Entwicklung der Erdbevölkerung zum System Menschheit.

ISBN 978-3000247019

Hier ein Clip von Rudi zum Balzverhalten des Menschen, der gut zum Thema “sexuelles konkurrieren”
(siehe Navigationsleiste) passt.
einfach hier klicken

Auch das Brutpflegeverhalten ist beim Menschen zu beobachten - gehört ebenfalls zum Thema “Zivilisation”.
Zum Anschauen hier klicken.

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